29.07.2015
Interview: Der israelische Jazzbassist Avishai Cohen ist von vielen Kulturen und Musikstilen beeinflusst – Am Samstag bei Palatia Jazz
Interview: Gereon Hoffmann
Zur Person
Avishai Cohen
Avishai Cohen gilt als einer der interessantesten Bassisten des Modern Jazz. Der 1970 in Israel geborene Musiker und Komponist verbindet orientalische Melodien mit arabisch-andalusischen Klängen, beherrscht latinund afrokubanische Rhythmen ebenso wie gewagte Improvisationen. Cohens Familie hatWurzeln in Spanien, Griechenland und Polen. Mit neun Jahren erhielt er ersten Klavierunterricht. Als 14-Jähriger zog er mit seiner Familie nach St. Louis in die USA. Dort entdeckte er den E-Bass und die Musik von Jaco Pastorius. Er studierte in Israel Musik, leistete seinen Militärdienst und wechselte dann nach NewYork, um dort weiter Jazz zu studieren. Längere Zeit spielte er mit dem panamaischen Pianisten Danilo Perez zusammen und lernte die Latin Music kennen. 1997 holte ihn Chick Corea in sein neu formiertes Trio und in seine Band Origin. 1998 veröffentlichte Cohen sein erstes Album„Adama“ auf Coreas Label Stretch/Concord. Heute hat Cohen sein eigenes Label. Sein jüngstes Album „From Darkness“ erschien im Herbst letzten Jahres. (ghx).
Aufgewachsen ist er in Israel, aber auch St. Louis und New York sind
ihm zur zweiten Heimat geworden. Der Bassist Avishai Cohen ist ein
stilistisch sehr offener Musiker. Zum Festival Palatia Jazz
kommt er mit seinem Trio, zusammen mit dem Pianisten Nitai Hershkovits
und Schlagzeuger Daniel Dor spielt er am kommenden Samstag auf dem
historischen Marktplatz in Schifferstadt. Den Abend eröffnet die
Pianistin Anke Helfrich.
Mr. Cohen, Sie haben zuerst Klavier gespielt und sind
dann zum Bass als Hauptinstrument gewechselt – warum haben Sie das
gemacht?
Tja, das ist eines der Dinge,
die ich bis heute nicht richtig erklären kann. Außerdem habe ich nie mit
dem Klavierspielen aufgehört. Mit dem elektrischen Bass habe ich
angefangen als Teenager in St Louis. Dann habe ich mich in das
Instrument verliebt und mich sehr ernsthaft damit befasst. Aber warum
ich überhaupt auf Bass gekommen bin, weiß ich nicht.
Aber es muss Sie doch etwas fasziniert haben an diesem Instrument?
Ja
natürlich. Als ich ernsthaft damit angefangen habe, habe ich gemerkt,
dass das ein unglaublich tolles Instrument ist. Der Bass hat eine ganz
wichtige Rolle im Groove. Der Groove ist für mich schon immer ein ganz
großer Teil der Faszination von Musik. Und dann definiert der Bass den
harmonischen Verlauf, macht klar, wohin die Harmonien gehen. Diese zwei
Sachen sind für mich ganz wichtig. Ich mag auch die Rolle des Basses im
Zusammenspiel eines Ensembles. Er spielt nicht im Hintergrund, aber auch
nicht ganz vorne. Trotzdem kann er auch Soloaufgaben übernehmen – was
ich ja auch gerne mache.
Welche Bassisten haben Sie bei der Entwicklung Ihres Stils beeinflusst?
Beim
elektrischen Bass war das Jaco Pastorius. Ansonsten Ray Brown, Paul
Chambers ... auf eine bestimmte Art auch Bootsy Collins.
Der Funk-Bassist?
Genau. Und Family Man Barret, das war Bob Marleys Bassist. Und natürlich
Johann Sebastian Bach, der ein großartiger Bassist war ...
Ihre Familie hat Wurzeln in Israel und Europas. Welche Rolle hat das für Ihre musikalische Entwicklung gespielt?
Es
gab viele Sachen, die wir zu Hause gehört haben. Meine Mutter mag
besonders klassische Musik, dadurch habe ich sehr viel davon gehört.
In Ihrer Musik verschmelzen klassische Musik,
afrokubanische Einflüsse und traditionelle Musik verschiedener Kulturen.
Wie bringen Sie das alles zusammen?
Ich
glaube, es gibt da auch genetische Anteile, Einflüsse, die man geerbt
hat, ohne dass es einem bewusst ist. Da habe ich durch meine Familie
einfach Glück gehabt. Dazu kommt auch meine eigene Lebenserfahrung,
vielleicht auch Sachen vor meinem Leben. Umwelt und Situation spielen
auch eine Rolle. Ich kann am Ende kontrollieren, wie eine Komposition
gestaltet sein soll. Aber was zuvor einfließt, das passiert einfach.
Sie haben in New York gelebt, wo der Musiker John
Zorn das Konzept der „Radical Jewish Culture“ entwickelt hat. Können Sie
damit was anfangen?
Nein, damit habe ich mich nie beschäftigt.
Sie sind in Israel geboren und aufgewachsen, haben dann in New Orleans und New York gelebt – wo ist für Sie Heimat?
Das
ist zuerst Israel. Hier bin ich geboren, hier leben meine Eltern, meine
Geschwister, meine Frau und mein Kind. New York ist auch irgendwie
Heimat, weil ich viele Jahre dort gelebt habe und das wichtig für meine
Karriere war. Aber ich wollte auch wieder nach Israel zurück. Ein
bisschen bin ich auch da zu Hause, wo ich spiele und Leute kennenlerne.
Sie haben nicht nur mit großen Jazzmusikern gearbeitet, sondern auch mit Musikern, die dem Jazz eher fern stehen wie etwa Alicia Keys. Wie kommt das?
Auch da hatte ich einfach Glück, weil ich so viele verschiedene
Musikstile mag. In New York sind mir viele Genres und Künstler
begegnet. Da gehörte auch Rock und R’n’B dazu. Das hat mich auch
geprägt. Letzten Endes ist Musik doch eine ehrliche und aufrichtige
Kunst. Es kommt nicht so sehr auf den Stil an, sondern darauf, dass die
Musik aus deinem Innern kommt. Das war für mich eine wichtige Erfahrung.
Blicken wir einmal von hier aus in die Zukunft: Gibt es noch neue musikalische Gebiete, die Sie entdecken wollen?
Derzeit
arbeite ich an einem großen Orchesterprojekt, das mich die nächsten
Jahre beschäftigen wird. Da will ich mit verschiedenen Orchestern in
aller Welt musizieren. Das Material besteht aus zeitgenössischer
E-Musik, die ich zum Teil schon komponiert habe, aber auch einige meiner
Jazzstücke, die ich für Orchester neu arrangiere.
Zu Palatia Jazz kommen Sie mit Ihrem Trio, was werden Sie spielen?
Ausgangspunkt
ist unser jüngstes Album „From Darkness“. Aber wir werden sehr viel
improvisieren, und das wird ein sehr dynamisches Konzert werden.
Der Albumtitel „From Darkness“ klingt düster und mysteriös, aber die Musik wirkt gar nicht so. Wie kamen Sie auf den Titel?
Ich
bin mir auch nicht immer sicher, was ich meine. Das muss man nicht so
streng auslegen. Der ganze Titel wäre „From Darkness Comes Great Light“
(Aus Dunkelheit kommt großartiges Licht) Ich habe das dann als Halbsatz
genommen, weil ich neugierig machen wollte. Man kann das vieldeutig
interpretieren. Dunkelheit muss nicht gleich negativ sein. Auch bei
unserer Geburt kommen wir aus der Dunkelheit ans Licht.
Die Rheinpfalz - Ludwigshafener Rundschau - Nr. 173
Mittwoch, den 29. Juli 2015
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