22.07.2014
PALATIA JAZZ: In Deidesheim gastiert der polnische Geiger Adam Baldych mit seinem Quartett
Die Körpersprache verrät schon allerhand. Mit sanften, weit ausholend kreisenden Bewegungen des Oberkörpers begleitet Adam Baldych viele seiner Soli. Es bebildert trefflich das, was der junge Geiger aus Polen improvisatorisch zu bieten hat auf den vier Saiten seines elektrisch verstärkten Instrumentes. Weite melodische Bögen vor allem, bruchlos zusammengesetzt aus kurzen und mit sicherem Strich breit ausgezogenen Tönen. Keine schroffen Zäsuren hindern den schmiegsamen Legato-Fluss seines Spiels, und auch nicht künstlich eingelegte Pausen zum Atemholen.
Sparsam dosiert
Nicht zu vergessen das Pizzicato-Spiel ohne Bogen, von ihm mit großer
Prägnanz dargeboten. Wobei die elektrische Verstärkung seines
Instrumentes hilfreich ist, weil sie noch feinste Zupftöne deutlich
hörbar macht. Ebenso wie, nicht ganz so konventionell, die Klopftöne mit
den Fingern auf dem Holz der Geige. Baldych setzt sie nur einmal ein,
und sparsam dosiert sind auch die elektronischen Loops, die ihm, live
angefertigt auf der Bühne, das Spielen mit sich selbst im Duett
erlauben.
All dies wird ausgeführt mit einer stupenden technischen
Beherrschung des Instrumentes. Sicherlich das Resultat einer gründlichen
klassischen Ausbildung, und die wird auch spürbar in den Kompositionen,
die Baldych sich und seinem Quartett aus polnischen Landsleuten auf den
Leib geschneidert hat. Mehr noch jedoch kommt darin ein
folkloristischer Einfluss zum Ausdruck, der nicht eindeutig zu verorten,
auf jeden Fall aber im Osten und Norden Europas zu Hause ist.
Überwiegend sehr lyrisch im Charakter, lassen diese Stücke doch aus
ihrer fast schon harmoniesüchtigen Ruhe heraus auch mal gewaltige
Steigerungen zu.
Wobei die eigentlich aufstörenden und von daher auch besonders
jazzmäßigen Beiträge von Baldychs Pianisten stammen. Dieser Pawel
Tomaszewski entpuppt sich als äußerst einfühlsamer Begleiter, begabt
zugleich mit der Fähigkeit, durch unentwegtes Suchen nach originellen
Einfällen abseits des Vorhersagbaren die Musik des Quartetts vor allzu
großer Gefälligkeit zu bewahren. Vielleicht gerade deshalb auch
ertrotzte das begeisterte Publikum im intimen Ambiente des Deidesheimer
Weinguts Reichsrat von Buhl zwei Zugaben.
von Matthias Spindler
Mannheimer Morgen, Dienstag, 22.07.2014