01.07.2014
PALATIA JAZZ: Festivalauftakt mit Dee Dee Bridgewater in Speyer
64 Jahre geballte Lebensenergie, eingezwängt in ein enges, grün-glitzerndes Etwas, benötigen Raum. Den nimmt sich Dee Dee Bridgewater ungeniert. Und mit einem so strahlend breiten Grinsen, dass man ihr sämtliche menschlichen Verfehlungen umgehend verzeihen würde. So wie die eigenen im Angesicht dieses unverkrampften Menschseins ganz wundersam auf Mikrobengröße schrumpfen. Dee Dee Bridgewater ist nicht nur die "First Lady des Jazzgesangs". Sie ist auch eine Botschafterin menschlicher Würde im Angesicht des alltäglichen Chaos. Ihr Bühnenhumor wirkt bisweilen rustikal, aber niemals ordinär. Deshalb ist die Diva, die sämtliche daraus ableitbaren Allüren mit Ironie konterkariert, auch die Richtige, ein Festival vom Range des Palatia Jazz zu eröffnen. In der Speyerer Gedächtniskirche erleben die Besucher ein Konzert der Extraklasse. Die Songs von Ella Fitzgerald, Billie Holiday, Kurt Weill oder Thelonious Monk sind Zeugnisse einer Kunst, die es sich erlauben kann, den hohen Grad an Virtuosität mit scheinbar leichtgängiger Unterhaltungsästhetik zu camouflieren. Dee Dee Bridgewater balanciert mit einnehmender Präsenz auf diesem schmalen Grat. Vor dem Absturz bewahrt sie das Talent zu kabarettistischer Selbststilisierung. Zugleich verfügt die 64-Jährige über stimmliche Qualitäten, die ihr jene beifällige Nonchalance auf der Bühne erlauben.
Verschmelzung der Stile
Begleitet wird die sympathische Diva vom Südwestdeutschen Kammerorchester Pforzheim. Ein Zusammentreffen, das Sebastian Studnitzky ermöglicht hat. Der Trompeter und Pianist hatte zuvor mit dem Kammerorchester unter der Leitung von Sebastian Tewinkel eigene Kompositionen präsentiert, die dank der Verschmelzung der Stile und Genres überaus eindrückliche Ergebnisse erzielen. urs
Mannheimer Morgen, Dienstag, 01.07.2014