11.07.2017
„Jazz – The Story“ bei palatia Jazz open air vor der Villa Ludwigshöhe bei Edenkoben mit einem Streifzug durch 100 Jahre Jazzgeschichte
Von Rainer Köhl
In Hochform war James Carter, der seine Klarinette lustvoll jubilieren ließ bei altem New Orleans Jazz. Erste Sahne war gleichfalls der Trompeter Jon Faddis, der in Gillespies Combo ebenso spielte wie bei Lionel Hampton. Unvergleichlich war es, wie er die Highnotes in höchste Höhen quietschte, seine fabelhafte Technik zu musikalischen Glanzlichtern hochtrieb. Süße, sanft glühende Bläsersätze des Ensembles begleiteten Gershwins „Summertime“.
Viele originale Farben und Stimmungen aus den alten Zeiten flossen hier herein, die Trompeter und Posaunist growlten, was das Zeug hielt, mit Wah-Wah-Effekten ihrer Dämpfer. Nach dem Swing folgte der Bebop, und der sauste sehr dynamisch wirbelnd einher, in mit Höllentempo durchfegten Bläsersätzen der großen Mannschaft. Da zeigte sich die ganze Virtuosität dieser hochkarätigen Musiker und ebenso in ihren einzelnen Soli. Die Duelle der Brüder Julian Cannonball und Nat Adderley wurden furios flirrend nachgezeichnet von Carter und dem zweiten Tenoristen Eric Alexander.
Immer wieder begeisternd der unvergleichliche James Carter, der seine Virtuosität am Tenorsaxofon zu ekstatischen Soli verdichtete. Er hatte grenzenlosen Atem für seine weitgeschwungene Orgiastik. Neben weniger bekannten Nummern kamen auch etliche Hits ins Programm. So wie „Take five“, das Vincent Hering in butterweich blühender Geschmeidigkeit seines Altsaxofons erklingen ließ. Was folgte, war der Cool-Jazz, wie in Miles Davis „So what“, von Trompeter Jeremy Pelt schön abgeklärt interpretiert. Die 1960er-Jahre waren dann wieder sehr heterogen gewesen, gab es den problemlos tanzenden Souljazz und Braziljazz neben den politisch aufbegehrenden Strömungen wie dem Free Jazz. Extravagante Klänge gab es immer wieder an diesem Abend, etwa die in Parallelen geführten Klänge von Flöte und Trompete.
Mike LeDonne wechselte bald vom Klavier ans Keyboard, und David Williams vom Kontrabass zum E-Bass, um die Farben der 1970er-Jahre einzufangen, im Jazzrock und Fusion. Heiße Battles wurden bei dieser Reise durchs Jahrhundert angestimmt, Steve Turre brillierte mit energiereich berstendem Posaunenspiel. Funky und tanzbar wurde es da immer mehr, und auch das begeisterte Publikum ließ es sich nicht nehmen, im Takt mitzuklatschen.
Eröffnet wurde der Abend von dem jungen israelischen Klaviertrio Shalosh. Gadi Stern (Piano), David Michaeli (Bass) und Matan Assayag (drums) spielten einen melodisch und lyrischen Modern-Jazz. Träumerische Soli intensivierte der Pianist zu dynamischem, tänzerischem Groove, setzte auch mal rhythmisch und harmonisch verschachtelte Figuren in Gang.
Ein begeisternder Abend, so vielfältig wie der Jazz nur sein kann, und der Lehrstunden mit sehr lebendiger Spiellust prächtig vereinte.
Quelle
Ausgabe Die Rheinpfalz - Nr. 158
Datum Dienstag, den 11. Juli 2017
Seite 23